Direkte Unternehmenskredite: Drei Trends in Europa
Der europäische Markt für direkte Unternehmensdarlehen hat sich in dreifacher Hinsicht weiterentwickelt. Diese Tendenzen wirken sich zunehmend auf die Wettbewerbsdynamik und letztlich auf die Renditen der Anleger aus. Dieser Artikel beruht auf einem Gespräch mit Private-Credit-Portfoliomanager Mark Wilton, das vor Kurzem als „Streaming Income“-Podcast von Barings veröffentlicht wurde. Der vollständige Podcast ist hier zu finden.
1. Etablierte Kreditgeber haben in schärferem Wettbewerbsumfeld erhebliche Vorteile
Viele Vermögensverwalter sind heute als Kreditgeber auf dem europäischen Markt für direkte Unternehmensdarlehen aktiv, doch die Pandemie hat die Wettbewerbslandschaft entscheidend beeinflusst. Vor allem konzentriert sich die Transaktionstätigkeit zunehmend auf eine kleinere Zahl von Kreditgebern. Dieser Trend zeichnete sich bereits vor der Pandemie ab, hat sich aber in den letzten anderthalb Jahren noch verstärkt und kommt in mehr Off-Market-Transaktionen sowie weniger großen Auktionsverfahren zum Ausdruck.
In der Vergangenheit haben Private-Equity-Sponsoren möglicherweise Gebote von fünf bis zehn Kreditgebern für eine bestimmte Finanztransaktion eingeholt, heute sind es vielleicht nur noch zwei oder drei. Die Kreditgeber, die nicht zu den drei Marktführern gehören, finden sich vermehrt auf der Außenseite wieder. Im Gegensatz zu den USA, wo Deals oftmals in Form von Clubtransaktionen abgeschlossen werden, werden Geschäfte in Europa außerdem häufiger mit einem einzigen Kreditgeber abgewickelt. So können anfangs zwei oder drei Kreditgeber im Spiel sein, aber oft „gewinnt“ nur ein einziger Marktteilnehmer die Transaktion – nach dem Motto „Einer wird gewinnen“.
Daher überrascht es nicht, dass die besser etablierten Private Credit Manager mit gutem Ruf und langfristigen Sponsorenbeziehungen auf diesem Markt erhebliche Vorteile haben. Auch Größe zählt, da sich dann mehr Möglichkeiten bieten, als etablierter Kreditgeber aufzutreten – eine Position, die oft einen besseren Zugang zu Deal-Flow bietet. Wenn etwa ein Kreditnehmer, der sich im Besitz eines Sponsors befindet, zusätzliche Finanzmittel benötigt (was in diesem Bereich häufig vorkommt), ist der aktuelle Kreditgeber wahrscheinlich im Vorteil, das Geschäft zu gewinnen. Da er das Unternehmen bereits kennt, kann eine neue Transaktion oft schnell, effizient und ohne Marktbeteiligung abgewickelt werden.
Darüber hinaus haben etablierte Kreditgeber bei Transaktionen auf dem Sekundärmarkt vielfach einen beträchtlichen Vorteil gegenüber Teilnehmern, die ein Unternehmen zum ersten Mal zeichnen, da sie die Finanzdaten des Kreditnehmers oft schon seit Jahren kennen. Auf der Grundlage dieser Informationen kann ein etablierter Kreditgeber eine fundiertere Bewertung der Vorzüge zusätzlicher Transaktionen vornehmen. Damit kann der Kreditgeber den Preis genauer bestimmen und das Risiko übernehmen – oder die Transaktion ablehnen, wenn die Bedingungen und der Preis ungünstig erscheinen.
Es ist vielleicht nicht übertrieben zu sagen, dass Größe, Beziehungen und eine etablierte Stellung noch nie so wichtig für den Zugang zu und die Bewertung von Deal-Flow waren wie heute.
Abbildung 1: Der Marktanteil entwickelt sich immer mehr in Richtung der Top-Tier-Manager
Quelle: GCA Altium MidCapMonitor Q4/2020.
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2. Übermäßige Risikobereitschaft lässt nach
Ein weiterer Trend, der an Fahrt aufnimmt, bezieht sich auf die Denkweise der Anleger über Risiko und Rendite. In den letzten Jahren floss enormes Kapital in Strategien für direkte Unternehmenskredite. So ist es nicht verwunderlich, dass sich einige Marktteilnehmer vor allem auf die Erzielung höchstmöglicher Renditen konzentriert und den Risiken dabei wohl weniger Beachtung geschenkt haben.
Von überhöhten Fremdkapitalniveaus über aggressive Konditionen und Strukturen bis hin zur Kreditvergabe an risikoreiche Sektoren: Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sich das System im Vorfeld der Pandemie bisweilen in luftige Höhen begab.
Heute zeigen sich die Folgen der übermäßigen Risikobereitschaft in einem Auseinanderlaufen der Portfolioperformance in der Branche. So überrascht es nicht, dass Kreditgeber mit einer stärkeren Konzentration auf Sektoren wie den Einzelhandel und das Gastgewerbe/Hospitality, die unverhältnismäßig stark vom Konjunktureinbruch betroffen waren, zu leiden hatten.
Bei Barings verfolgen wir einen konservativeren Ansatz und zielen auf risikobereinigte Erträge ab. In der Regel konzentrieren wir uns auf erstrangig-besicherte Kredite und halten uns von Geschäften mit aggressiven Bedingungen oder Preisen fern – selbst wenn das bedeutet, dass wir an bestimmten Transaktionen nicht teilnehmen können. Was die Sektoren angeht, schließen wir im Allgemeinen keine Deals mit Unternehmen in „Modebranchen“ wie etwa Einzelhandel und Gastgewerbe/Hospitality ab und meiden weitere zyklische Sektoren.
Vielleicht kontraintuitiv hat dieser konservative Ansatz oft zu neuen Geschäftsmöglichkeiten geführt, da Private-Equity-Sponsoren und Kreditnehmer auch erkennen, dass eine übermäßige Verschuldung und sonstige aggressive Bedingungen über einen längeren Zeithorizont nicht zum Vorteil des Kreditnehmers oder des Kreditgebers wirken können. Bei einer geringeren Verschuldung können Kreditnehmer einen größeren Teil ihres Cashflows für Wachstumsinvestitionen zurückbehalten, anstatt ihn vollständig für Zinszahlungen einzusetzen, was bei vielen wachstumsorientierten Private-Equity-Sponsoren auf offene Ohren stößt.
3. ESG-fokussierte Kreditvergabe gewinnt an Bedeutung
Anleger befassen sich immer mehr mit ESG-Aspekten (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Aber es sind nicht nur die Anleger, sondern auch die Manager, die Sponsoren und die Kreditnehmer selbst. Wie bereits zuvor diskutiert, erfordern direkte Unternehmenskredite aus einer Vielzahl von Gründen einen völlig anderen Ansatz für die ESG-Analyse, als dies bei börsennotierten Aktien und festverzinslichen Anlagen der Fall ist.
Erstens: Direkte Unternehmenskredite sind illiquide Anlagen. Der Investmentzyklus erstreckt sich in der Regel über drei bis fünf Jahre. Im Gegensatz zu den breit syndizierten Märkten bestehen nur wenige oder überhaupt keine Möglichkeiten, Darlehen zu handeln oder aus Transaktionen auszusteigen. Außerdem haben Inhaber von Schuldtiteln im Gegensatz zu Aktionären keine Anteile des Unternehmens und sitzen auch nicht im Aufsichtsrat. Daher haben sie keinen direkten Einfluss auf das Verhalten oder die Entscheidungsfindung eines Unternehmens. Folglich kommt der Due-Diligence-Prüfung auf ESG-Aspekte im Vorfeld einer Anlage umso größere Bedeutung zu.
Hier sind ESG-Forward- oder nachhaltigkeitsorientierte Darlehen ein innovativer Ansatz, der positive Anreize für mittlere Unternehmen schaffen kann, ihre ESG-Praktiken zu verbessern. Und wir konnten im vergangenen Jahr eine erhebliche Zunahme solcher Transaktionen verzeichnen. Im Grunde können Kreditgeber Darlehensverträge mit spezifischen ESG- oder Nachhaltigkeitsklauseln ausstatten. Wenn ein Unternehmen eine bestimmte Anzahl dieser Kriterien erfüllt, können ihm ermäßigte Kreditkosten gewährt werden. Nachhaltigkeitsorientierte Margin Ratchets (Margenanpassung in Abhängigkeit von Kennzahlen) bieten zwar bedeutende Anreize für Kreditnehmer, ihre Zinszahlungen möglicherweise zu senken, aber die Größenordnung dieser Senkung – in der Regel 5 bis 10 Basispunkte – hat keine nennenswerten Auswirkungen auf die Anleger. ESG-bewusste Anleger sind im Allgemeinen bereit, solche Auswirkungen zu akzeptieren. Denn eine derartige Klausel stellt einen klaren Anreiz für Kreditnehmer und Private-Equity-Eigentümer dar, das Unternehmensverhalten zugunsten von Umwelt und Gesellschaft zu verbessern.
Barings bot in 2020 eines der ersten nachhaltigkeitsorientierten Darlehen der Branche an und hat seither eine Reihe weitere Transaktionen dieser Art durchgeführt. Wir gehen davon aus, dass ESG- oder nachhaltigkeitsorientierte Darlehen in der Branche immer mehr zur Norm werden, da sich die Anreize und Beweggründe für Anleger, Manager, Sponsoren und Kreditnehmer zunehmend angleichen, um diese wichtigen Themen anzugehen.
Wie alle Anlageklassen verändert und entwickelt sich auch der europäische Markt für direkte Unternehmenskredite ständig weiter. Die größte Veränderung der Wettbewerbsdynamik entsteht heute durch die wachsende Bedeutung von Größe und Beziehungen sowie durch eine zunehmende Konzentration auf Risikotragfähigkeit und ESG. Bei Barings sehen wir in jedem dieser Bereiche Chancen für unsere Anleger und ein Umfeld, in dem attraktive risikobereinigte Renditen erzielbar sind – mit unserem konservativen und disziplinierten Ansatz.