Positionierung liquider Kreditportfolios angesichts steigender Zinsen und Inflation
Martin Horne, Head of Global Public Fixed Income, erörtert Möglichkeiten zur Steuerung der Risiken durch steigende Zinsen und Inflation. Dabei geht er auf potenzielle Vorteile von variabel verzinsten Anlagen und Strategien mit kurzer Duration ein.
Inwiefern gleicht das heutige Zins- und Inflationsumfeld früheren Zyklen? Welche Unterschiede gibt es?
Zwischen dem heutigen Umfeld und früheren Zyklen bestehen durchaus Parallelen. Zum einen sind die steigende Inflation und die potenziellen Zinserhöhungen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, vor dem Hintergrund einer Wirtschaft in passabler Verfassung zu sehen. Das galt auch in der Vergangenheit in den Anfangsphasen von Zinserhöhungszyklen. Diese Tatsache sollte sich man trotz der verstärkten Marktvolatilität zu Beginn dieses Jahres vor Augen führen.
Darüber hinaus weist die derzeitige Situation einige Besonderheiten auf, die vor allem mit den Ursachen der Inflation zusammenhängen, mit der wir konfrontiert sind. Der Energiesektor befindet sich eindeutig in einem tiefgreifenden Strukturwandel, der durch die Klimapolitik und den Trend zu erneuerbaren Energien angeheizt wird. Daher sind die Preise gestiegen. Diese Entwicklung hat sich durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine verschärft: So haben die Ölpreise vor Kurzem Mehrjahreshöchststände erreicht und Rohöl der Sorte Brent hat zum ersten Mal seit 2014 die 100-Dollar-Marke überschritten. Ein weiterer Faktor sind Unterbrechungen der Lieferketten angesichts anhaltender Corona-Ausbrüche in der ganzen Welt. Manche Regionen, insbesondere die Industrieländer, öffnen sich, doch in anderen Ländern kommt es immer noch zu Verzögerungen und Unterbrechungen der Produktion.
Schließlich tragen auch höhere Löhne dazu bei, denn der Arbeitskräftemangel ist in vielen Bereichen der Wirtschaft noch zu spüren, auch wenn über die genauen Ursachen debattiert wird. Staatliche Fördermittel wurden kritisiert, weil sie Anreize für Arbeitnehmer schaffen, nicht wieder aktiv ins Erwerbsleben einzusteigen. Aber selbst in Regionen, in denen solche Zuschüsse weitgehend abgeschafft wurden (wie in den USA und in Großbritannien), liegt das Ausmaß der freien Stellen nach wie vor auf Rekordniveau. Insbesondere in ländlichen Gebieten kann die Abhängigkeit von Migrationsarbeitnehmern, die mobil sind und in Sektoren wie der Landwirtschaft und dem Dienstleistungssektor zusätzliche Arbeitskräfte stellen, eine Ursache sein. Ein weiterer Grund ist die so genannte „große Kündigungswelle“: Arbeitnehmer haben in den letzten zwei Jahren den Kurs ihrer beruflichen Laufbahn geändert oder sich ganz aus dem Erwerbsleben zurückgezogen, sei es aus freien Stücken oder aus der Notwendigkeit heraus.
„Im Hinblick auf die in diesem Jahr an den Rentenmärkten beobachtete Volatilität ist anzumerken, dass sie möglicherweise nicht mit der höheren Inflation selbst zusammenhing, sondern eher mit den Versuchen der Anleger, die diesbezügliche Reaktion der Zentralbanken vorherzusagen.“
Im Hinblick auf die Anfang des Jahres an den Rentenmärkten beobachtete Volatilität ist anzumerken, dass sie möglicherweise nicht mit der höheren Inflation selbst zusammenhing, sondern eher mit den Versuchen der Anleger, die diesbezügliche Reaktion der Zentralbanken vorherzusagen. Wie im Januar zu sehen war, hat die Erkenntnis, dass die Leitzinsen schneller als erwartet steigen könnten, die Renditekurven für US-Schatzanleihen nach oben getrieben und einen Abverkauf an den Aktienmärkten ausgelöst. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Entwicklung der Leitzinsen Aspekte wie den Arbeitskräftemangel, die anhaltenden Versorgungsengpässe und die strukturellen Defizite auf dem Energiemarkt tatsächlich steuert. Meines Erachtens kann man argumentieren, dass diese Annahme etwas unzureichend ist, was darauf hindeutet, dass wir derzeit stärker von politischen Fehlern beeinflusst werden könnten.